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Zweiklassensysteme
Beschädigen unser Gerechtigkeitsgefühl. Freilich immer nur dann, wenn wir der unterlegenen Klasse angehören. Sonst nicht. Da heute in unser aller (westlichem) Denken Gerechtigkeit, insbesondere soziale Gerechtigkeit entschieden im Vordergrund steht, versuchen wir, Zweiklassensysteme abzuschaffen. Überzuführen in ein Ein-Klassen System. Hält wohl jeder von uns gefühlsmäßig für richtig.
In der Medizin gäbe es ein Zweiklassensystem. Sagen uns die Politiker. Versuchen jetzt aber nicht, die untere, die gesetzlichen Krankenkassen auf das Niveau der oberen, der Privatkassen anzuheben, sondern... natürlich im Gegenteil. Versuchen auch nicht einen Kompromiss zwischen den zwei Klassen zu finden, sondern die Klasse "da oben" abzuschaffen. Herunterzuziehen auf das "untere Niveau".
Verblüfft mich immer wieder. Weil ich genau weiß, dass wir in Wahrheit ein Dreiklassen System in der Medizin haben. Weil ich genau weiß, wie ich einen Politiker in meiner Praxis behandele. Noch einmal ganz anders. Das tut jedes Krankenhaus, das tut jeder Chefarzt (nur der wird hier gefragt). Politiker bilden eine dritte, eine oberste Klasse. Und genießen diese Privilegien. Das drückt sich ja nicht nur im Dienstwagen und Chauffeur aus. Zahlen die eigentlich Krankenkassenbeiträge?
Ihr eigenes Privileg wollen Politiker selbstverständlich nicht abschaffen. Weshalb ich darüber schreibe? Weil ich soeben in der Zeit 37/2013 lese von einem Schulverein, dem die Toiletten in der Schule zu schmutzig waren. Der eine Toilette auf eigene Kosten renoviert hat und jetzt versuchte, diese eine Toilette sauber zu halten, indem sie eine Reinemachfrau bezahlten. Lesen Sie bitte mit:
"Um die Frau bezahlen zu können, die ein auf Kosten des Schulvereins renoviertes WC sauber halten sollte, hatte die Merian-Schule in Bochum eine Gebühr von 10 Cent erhoben. Die schmutzigen Toiletten hingegen kosteten nichts. Die Behörde hat diese Regelung jetzt untersagt: Man wolle kein Zweiklassensystem. Der Staat, der für die Pflege sanitärer Anlagen kein Geld hat, verordnet das Einklassensystem der Vandalen."
Gleiches Prinzip. Soziale Gerechtigkeit in diesem Falle heißt Vandalismus, wie die Zeit das nennt. Standard absenken nach unten. Weshalb nicht nach oben?
Dass es auch anders geht, beweist unser deutscher Staat. Titelstory Bildzeitung Sept 2013: Zweiklassensystem bei der Steuer. 50 Prozent der deutschen Arbeitnehmer würden (praktisch ) keine Steuern zahlen. Nur die Hälfte von uns trägt die Ausgaben dieses Staates. Wieder ein Zweiklassensystem. Folgt man dem bisherigen Gedanken der sozialen Gerechtigkeit, müssten also auch die 50 Prozent Steuerzahler abgesenkt werden auf null Steuern. Müssten.
Seltsam. So denkt hier keiner. Weil diejenigen, die dafür verantwortlich sind, die Politiker, selbstverständlich von diesen Steuern leben.
Erklär mir einer die Welt.