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Zanardi
Behinderung ist Leid. Kann jeder von uns nachfühlen. Das Leid liegt oft im Schmerz, immer im Vergleich. Vorher konnte man Laufen, Rennen, Tanzen, und jetzt…?
Diese Darstellung wäre richtig, wenn der Mensch eine Maschine wäre. Ein Automat. Ein Zahnrad ist kaputt und damit die Maschine. Stimmt. Nur: Der Mensch ist mehr. Für den Menschen gilt etwas Wundersames:
Im Leben zählen nicht die Tatsachen, sondern unsere Meinung von den Tatsachen.
Es gibt also noch eine zweite Lebenswirklichkeit hinter uns als Maschine. Wer sich hier auskennt…. wer sich dieser anderen Wirklichkeit bedienen kann… ist wohl unverwundbar. So Zanardi. Lassen Sie mich zitieren:
„Zanardi ist Rennfahrer. Er fährt zunächst für ein italienisches Team, gehörte nie zur Weltklasse, war aber auch nicht schlecht. Er gibt nicht auf, wechselte einfach zu den US Amerikanern, gewinnt dort 1997 und 1998 die Champ-Car-Meisterschaft, jeweils vor Saisonende. Er kehrt in die Formel 1 zurück, bleibt wieder erfolglos.
2001 passiert es dann. Beim Champ-Car-Rennen auf dem Lausitzring, nach dem Boxenstopp. Zack: Sein Rennwagen schleudert unkontrolliert auf den Asphalt, wird von einem anderen Wagen mit 320 km/h zerschmettert, zerreißt in zwei Teile. Und er?
Schwer verletzt. So gut wie tot. Wird siebenmal wiederbelebt, mit Erfolg, aber seine Beine sind nicht mehr zu retten. Müssen oberhalb der Knie amputiert werden.
Und was macht er? Steigt wieder ins Rennauto. Zwischen 2005 und 2009 fährt er für BMW in einem speziell umgebauten Wagen die Tourenwagen-Weltmeisterschaft, gewinnt sogar drei Rennen. Das reicht ihm nicht, gleichzeitig beginnt er mit dem Marathontraining, natürlich mit dem Handbike, erreicht 2007 beim New York Marathon den vierten Platz, 2011 gewinnt er ihn. Bei den Sommer Paralympics 2012in London holt er Gold im Einzelzeitfahren sowie Silber im Mixed-Teamfahren. 2014 startet er nicht nur wieder bei BMW als Rennfahrer, sondern auch als Triathlet beim Ironman in Hawaii.
Dieser Mann ist behindert. Nur, wo ist die Behinderung? Wo ist das Leid? Das interessiert Allessandro Zanardi nicht. Er hat das Universum gewechselt, hat sich in einer neuen Gegenwart eingerichtet und sich eine neue Zukunft ausgesucht. Sein Fokus heißt nicht „Rollstuhl“, sein Fokus heißt „Erfolg“. Heißt „Lebensfreude“. Und dieser Fokus lässt alles andere lahm aussehen. Auf Hawaii wissen die Leute seit vielen Jahrhunderten, wie das geht:
„Energy flows, where attention goes.“
Ein Satz aus der Huna-Religion.“
Wie ich auf Zanardi komme? Habe soeben zu Mittag gegessen in örtlichem Gasthaus. Am Nebentisch sechs Herren in meinem Alter. Gesprächsthema ausschließlich Krankheit. Für mich als Arzt natürlich hochinteressant, nur…. Lebensinhalt?
Womit beschäftigen sich Ihre Gedanken eigentlich? Tja: Auch hier gilt: Wie man in den Wald hineinruft, schallt es heraus.