Wir verwenden Cookies, um Ihre Erfahrung zu verbessern. Um die neuen Datenschutzrichtlinien zu erfüllen, müssen wir Sie um Ihre Zustimmung für Cookies fragen. Weitere Informationen
Verbrauchen Sie viel Toilettenpapier?
Die meisten Patienten, die in meine Praxis kommen, suchen Rat und Hilfe bei diversen Darmbeschwerden. In aller Regel sind sie nach Einschätzung der Schulmedizin „gesund“. Sie waren bei Gastroenterologen, wurden endoskopiert (gespiegelt), oft auch biopsiert und durchleuchtet. Aber immer wurden sie mit der Diagnose „ohne Befund“ oder bestenfalls mit „Ursache ist wohl psychosomatisch“ wieder nach Hause geschickt.
Dabei genügt bei den meisten schon ein Blick auf die Körperhaltung, die Bauchform und eine einfache Tastuntersuchung, um zu erkennen, dass der Darm eben nicht gesund ist.
Vor vielen Jahren, als noch junge Heilpraktikerin, habe ich ein Buch gelesen, das meinen Blick auf die Darmdiagnostik komplett verändert hat. Es trägt den wenig charmanten Titel „Darmträgheit“, stammt aus den frühen 1950er Jahren und ist bis heute ein Klassiker der modernen Naturheilkunde. Der Verfasser war der berühmte österreichische Gastroenterologe Franz Xaver Mayr.
Als junger Arzt (das war um die Jahrhundertwende) war er sehr unzufrieden, dass es keine ausreichende Diagnostik für die Krankheiten des Magen-Darm-Traktes gab. Also begab er sich selbst auf die Suche und studierte jahrelang gesunde und kranke Bäuche und konnte – damals schon! – viele Aussagen über die Bedeutung einer gesunden Darmflora und des Darmnervensystems treffen. Mit hoher Beobachtungsgabe und Sinn für die Ganzheitlichkeit des menschlichen Organismus konnte er klare Bezüge zwischen Darmstörungen und vielen chronischen Erkrankungen herstellen. In seinen Büchern betonte er die Bedeutung einer gründlichen Diagnostik des „Darmkranken“. Berühmt wurden auch Mayrs Beschreibungen verschiedener Bauchformen und Körperhaltungen (Fettbauch vs. Gasbauch).
Wer tastet heutzutage noch gründlich (!) den Bauch eines Patienten ab, schaut auf die Wirbelsäule oder schaut sich die Weite des epigastrischen Winkels an, wenn jemand mit Darmbeschwerden in seine Praxis kommt?
F.X. Mayr verfasste Schriften, die auch heute in Zeiten von Longevity und Anti-Aging hohe Relevanz haben, wie
- Schönheit und Verdauung oder die Verjüngung des Menschen nur durch sachgemässe Wartung des Darmes, München 1920
- Wann ist unser Verdauungsapparat in Ordnung? - Die verhängnisvollste Frage, München, 1949
Oder
F. X. Mayr, der 1965 verstarb, war seiner Zeit in vielen Aspekten weit voraus. Aus meiner Sicht ist nichts von dem, was er vor 100 Jahren schrieb, überholt. Im Gegenteil. Wir können heute noch viel von ihm lernen.
Er war ein Meister der Diagnostik, zu einer Zeit, in der es keine Stuhl-Labordiagnostik gab.
Zum Beispiel erfand er die Toilettenpapier-Diagnostik, denn
„Die Beschmutzung des Afters und seiner Umgebung durch den Kot ist nämlich gewiss nicht nur bei den Tieren, sondern auch bei uns Menschen ein untrügliches Zeichen dafür, dass der Dickdarm sich in einem gereizten Zustand befindet.“
Und weiter:
„Im selben Sinne kann uns die Verminderung des Bedarfs an Klosettpapier ein Maßstab sein für die zunehmende Besserung in der Behandlung. Wir haben somit im Klosettpapier ein wertvolles Reagenzpapier zur Prüfung der Güte des Stuhles und der Verdauung.“
Die Menge an Toilettenpapier als Diagnostikum – was für eine geniale Idee!
Was würde Dr. Mayr wohl sagen, ginge er heutzutage durch die Gänge der modernen Drogeriemärkte mit meterlanger Auswahl an Toilettenpapier in den verschiedensten Farben, Formen und Gerüchen?
Quellen:
Witasek A. Diagnostik und Therapie nach Dr. F. X. Mayr [Diagnosis and therapy after Dr. F. X. Mayr]. Forsch Komplementarmed. 1999 Feb;6(1):45-6. German. doi: 10.1159/000021202. PMID: 10213880.
F.X. Mayr, Darmträgheit, Wien 1953
Über die Autorin:
"Kyra Kauffmann, Jahrgang 1971, Mutter zweier kleiner Söhne, Volkswirtin, seit 20 Jahren niedergelassene Heilpraktikerin, Buchautorin, Dozentin, Journalistin und seit 3 Jahren begeisterte Medizinstudentin.
Zur Medizin kam ich durch meine eigene schwere Erkrankung mit Anfang 30, bei der mir seinerzeit kein Arzt wirklich helfen konnte. („Ihre Werte sind alle super – es ist alles rein psychisch!“). Hilfe bekam ich von Heilpraktikern, die zunächst einmal eine wirklich gründliche Labordiagnostik durchgeführt haben, ganz nach dem Vorbild von Dr. Ulrich Strunz. Es war eine neue Welt, die sich mir eröffnete und die Erkenntnisse, haben mich sofort fasziniert (ohnehin bin ich ein Zahlen-Daten-Fakten-Fan und habe nicht umsonst das Studium der VWL gewählt). Die Begeisterung war so groß, dass ich meinen alten Beruf an den Nagel hängte und Heilpraktikerin wurde. Meine Praxis führe ich seit 20 Jahren mit großer Begeisterung und bin – natürlich - auf Labordiagnostik spezialisiert und kann so oft vielen Symptomen auf den Grund gehen. In 2 Jahren hoffentlich dann auch als Ärztin.