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Verborgener Zauber
Mit zunehmendem Alter muss ich mich zunehmend entschuldigen. Merkwürdiger Mechanismus. Muss eingestehen, dass mir fremde, unheimliche Gedankenwelten sehr wohl auch versteckten Charme in sich tragen können. Dazu heute ein Beispiel:
- Der Mensch lebt von und mit Glaubenssätzen. Wissen Sie alle. Wohl dem, dem diese Glaubenssätze einen festen Halt im Leben, eine Richtung geben. Beispielsweise gelebte Religion. Oder das ideologiefreie Sätzchen: „Alles ist so, wie es sein sollte.“
- Deswegen hatte und habe ich großes Mitleid mit der heutigen Jugend. Die sich selbst – ob sie das nun weiß oder nicht – vieler solcher „Haltepunkte“ im Leben beraubt. Beispielsweise der biologischen Tatsache: Es gibt männlich und weiblich. Und dann gibt es seltene Abweichungen. Ein ja grundsätzlich gültiges Schema.
Diese neue Haltlosigkeit kann man selbstverständlich auch mehr Freiheit nennen. Und diese neue Freiheit treibt Blüten, die man sehr wohl auch als wunderschön umdeuten kann. All das war nur die Vorrede zu dem jetzt folgenden Zitat, welches mir eine völlig neue Welt erschlossen hat. Darf ich?
„Zukünftig soll man sich in Deutschland sein Geschlecht auf dem Amt unbürokratisch aussuchen können. Man geht zum Beispiel als biologische Frau dorthin und sagt: Ich bin ein Mann. Dann wird man behördlich als Mann anerkannt. Ähnlich könnte man es doch auch mit dem Alter machen, oder?
Nicht das biologische Alter soll künftig zählen. Sondern das gefühlte.
Eine Zeit lang würde es schönste Verwirrung geben: 70-jährige Männer, die sagen, sie seinen 30-jährige Frauen. Na und? Die Vorteile überwiegen. Sofort wäre Deutschland ein Land der Jugend und des Fortschritts. Die Überalterung der Gesellschaft? Abgeschafft ...
Die „alten weißen Männer“, die alle so verachten? Verschwunden.“
Da seh´ ich mich – danke liebe Ampel-Regierung – doch sofort als 17-jähriges blondes Mädchen. Behördlich anerkannt. Was ich für einen Spaß haben werde … Wunderschöne neue Welt.
Quelle: Der SPIEGEL Nr. 39/24.09.2022, Seite 61