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Tröstende Worte
lesen Sie selten. Jedenfalls nicht in der normalen deutschen Presse. Selten heißt aber: manchmal, gelegentlich eben doch. So zum Jahreswechsel in der bayerischen Hauspostille Focus, auf Seite 5. Vom Chefredakteur. Der da gar merk-würdige Worte formte. Darf ich?
Nichts steht geschrieben
Das war’s auch schon. Das war die Message. Wie er drauf kam? Spannend: Im Filmklassiker „Lawrence von Arabien“ spielt, wie Sie wissen, der soeben verstorbene Peter O’Toole diese sagenhafte Heldengestalt. Mit Beduinen durchquert er die Wüste. Plötzlich: Einer fehlt. Muss sich verirrt haben. Beduinen wissen, der Mann ist nicht zu retten. Sein Schicksal ist entschieden: „So steht es geschrieben“.
Der Engländer wendet sein Kamel, reitet zurück in die Todeszone, findet und rettet den Verschollenen und sagt:
Nichts steht geschrieben.
Eine kleine, simple Kinoweisheit? Der Chefredakteur von Focus hält es für wahrhafte Weisheit: Für Menschen steht nichts geschrieben.
Weder das Kleine noch das Große. Das Schlechte nicht und nicht das Gute. Ob wir stolpern oder erfolgreich sind, ob wir allein bleiben oder Vertraute finden, ob wir Träume verwirklichen oder uns dem Alltag ergeben. ES LIEGT AN UNS.
Mit 20 Jahren hatte ich das geahnt. Heute, 50 Jahre später, weiß ich. Stimmt. Der Mann hat Recht. Und er bringt überzeugende Beispiele:
- In keinem Schicksalsbuch stand, dass ein Junge aus dem Stamm der Xhosa gegen die Apartheid kämpfen und 27 Jahre Kerkerhaft (27 Jahre!) durchstehen musste, um schließlich unsere Welt neu zu bauen. Nelson Mandela tat es.
- Es war nicht vorherbestimmt, dass ein Lübecker Lehrersohn 1970 vor dem Mahnmal des Warschauer Aufstands auf die Knie fallen würde. Willy Brandt tat es.
- Es ist nicht ausgeschlossen, dass ein Papst zurücktritt, dass eine Frau die Bundeswehr führt, und dass ein Fußballklub in einer Saison drei Titel holt.
Nichts steht geschrieben. Es liegt an uns. Stimmt. Und wenn‘s nicht klappt? (Übrigens typisch deutsche Frage) Auch dann gibt Lawrence uns Halt: Dann ist der Trick, sich nichts daraus zu machen.
Stimmt wieder. Werden Sie unverwundbar (Molekulare Medizin). Lernen Sie, in sich selbst zu ruhen (Iamon). Werden Sie ein kleiner Buddha (Formel-1-Reflex). Steht alles schon da. Weshalb gucken Sie mich bei diesen Sätzen in der Praxis immer so... unwissend an?