Gast-News Nr. 72

Wie mein Vater habe auch ich einen Lieblingsingenieur. Paul ist M.Sc. Ingenieurwesen. In seiner Abschlussarbeit untersuchte er die Effektivität eines waagerecht liegenden Windrads. Dessen Flügel mit Walfisch-Tuberkeln versehen wurde. Diese „Hubbel“, diese Störungen auf der Oberfläche, helfen einem Walfisch, schneller voranzukommen. Er analysierte in einer Simulation, ob das auch beim Windrad helfen würde.

Gestern machten wir uns über das wissenschaftliche Arbeiten lustig. Wissenschaftliches Arbeiten, natürlich unter Zeitdruck und Geldmangel, bedeutet:

1200 Studien vorselektieren. Die Zusammenfassungen, auf engl. abstract, von ca. 400 Studien durchlesen. Wenn gefühlt (gefühlt deshalb, weil für mehr keine Zeit bleibt) 50 % des Inhalts der Zusammenfassung dem entspricht, was man sucht, liest man das Fazit, auf engl. conclusion. Übrig bleiben vielleicht 100 Studien. Und wenn noch Zeit, betrachtet man dann bei einigen Dutzend Studien die Zahlen.

 

Während Paul sich auf harte Fakten, Simulationen und mathematische Wahrheiten berufen kann, muss ein Verhaltensökonom wie ich im Trüben fischen. Und laufe selbst natürlich Gefahr, bei dieser enormen Vorselektion, die auch mein persönliches Gefühl nicht ausschließt, die Studien zu meinen Gunsten zu selektieren. Das wäre eine Voreingenommenheit. Eine bias.

 

Das Entscheidungsverhalten von Menschen ist enorm komplex. Eine Untersuchung dieses Verhaltens entsprechend kompliziert. Während des kalten Kriegs erfolgte diese Untersuchung noch mit Zahlen und Formeln. Genannt Spieltheorie. Nur belegte der Träger des Alfred-Nobel-Gedächtnispreises für Wirtschaftswissenschaften, Jean Tirole, mit seinem Kollegen Drew Fudenberg mathematisch(!) (siehe „Game Theory“, von Fudenberg/Tirole), dass es unmöglich ist, mittels logisch interpretierter Zahlen das menschliche Entscheidungsverhalten vorherzusehen.

Beispiel: Kaufverhalten an der Börse.

Daher ist es der moderne Ansatz, Neurowissenschaften, Psychologie,  Biologie und den Kognitivismus in die Spieltheorie miteinzubeziehen. Man nennt das dann „Neuropsychoeconomics“. Der modernste Ansatz, das Entscheidungsverhalten von Menschen zu analysieren und ökonomisch fruchtbare Erkenntnisse zu gewinnen.

Und was hat diese ökonomische Speerspitze der Wissenschaft herausgefunden?

Dass Moleküle das Entscheidungsverhalten der Menschen steuern. Zum Beispiel das Hormon Oxytocin. Das Kuschelhormon. Nachzuschlagen bei Krueger et al. (2007) und Kosfeld et al (2005). Oxytocin regelt  das Gefühl von Vertrauen.

 

Man wollte auch wissen, ob das gerechtfertigte Bestrafen einer Person in uns Glückshormone freisetzt. Das ist tatsächlich der Fall. Bei jeder Person unterschiedlich stark ausgeprägt. Man fand auch, dass die dafür zuständigen Hirnregionen besonders aktiv sind bei solchen Personen, die auch nicht davor zurückschrecken, viel zu opfern, nur um eine Person „zu Recht“ bestrafen zu können.

 

Sind wir diesen Molekülen also ausgesetzt? Haben wir keinen freien Willen?

Eben nicht. Strunz war auch dieser Speerspitze der Wissenschaft wieder mal einen Schritt voraus. Denn:

 

                Sie haben Kontrolle über Ihre Moleküle (Strunz).

 

Sie können die Moleküle Ihres Entscheidungsverhaltens beeinflussen, steuern. Sie können Gene aktivieren und stumm schalten. Nennt sich wissenschaftlicher ausgedrückt Epigenetik.

Der entscheidende Schalter? Genetisch korrekte(s) Bewegung, Ernährung, Denken.