Nehmen Sie einen Radprofi. Der zehn Mal die Tour de France, also wohl das fürchterlichste sportliche Ereignis, überlebt hat. Nehmen Sie Rolf Aldag.

Kann man dem über Leistungssport, über Schmerz, über Qual, über Leid noch irgendetwas erzählen? Sie werden sich wundern: Ja, man kann.

Aldag war als Radprofi oft im Club La Santa auf Lanzerote (dort bin ich aufgewachsen) und hat mit Triathleten trainiert. Ist mit denen Rad gefahren, und war danach platt, habe sich "aufs Bett gelegt". Nur: Diese Jungs, so sagt er verträumt, sind dann erstmal laufen gegangen. "Das hat mich fasziniert". Er meint heute, dass "diese Jungs nie so richtig gewürdigt werden". Da hat er Recht. Triathlon ist etwas sehr Exotisches. Für mich reine Magie.

Rolf Aldag hat sich vorgenommen, „diesen faszinierenden Sport, nämlich Triathlon, aus der Ecke herauszuholen“. Und arbeitet doch heute tatsächlich für die Ironman Company.

Hat's natürlich auch ausprobiert. Den Ironman. Aldag ist ja nun ein solch extremer Ausnahmesportler, dass er seinen ersten Marathon (in Hamburg) in 2:42 gefinisht hat. Muss man sich mal vorstellen. 2:42! Und der hat auf Lanzarote den ersten Ironman seines Lebens ... überlebt. Aber wie!

Als Ehrengast hat er eine goldene Badekappe bekommen. Und wurde zu den Profis gestellt. Beim Schwimmstart. Thomas Hellriegel hat ihm erklärt, dass dies eine "Haudrauf-Badekappe" sei, denn wenn dann die Profis und die schnellen Amateure über ihn rüber schwämmen, sei sein Kopf ein "Super-Abdruckpunkt". Leider hätte man ihm das erst drei Minuten vor dem Start gesagt.

Beim Radfahren sei er mit 360 Watt im Schnitt losgefahren, völlig bekloppt und hätte sich nach 70 Kilometern gefragt, "wie soll ich die nächsten 110 Kilometer überhaupt noch schaffen".

Beim Laufen hätte er dann - für ihn enttäuschend - 3:27 h gebraucht. Denn nach 20 Kilometern sei er so müde gewesen, dass er das Gefühl gehabt hätte, er müsse sich jetzt auf den Bordstein setzen und schlafen. Diese Müdigkeit sei für ihn ganz neu gewesen.

Sagt ein 10-maliger Tour de France-Teilnehmer. Wissen Sie, was ich da bekomme? Neben einer Gänsehaut ganz neuen Respekt vor meiner Sportart. Ich dachte immer, die Radprofis seien am Berg an der Grenze menschlicher Leidensfähigkeit. Und nur ich sei ein wehleidiger Waschlappen, da auf Hawaii, wenn's so gar nicht mehr ging... Und jetzt hör ich, dass der erst beim Ironman mal die Schwelle überschreitet.

Auf den letzten Metern sei seine Frau dann auf die glorreiche Idee gekommen, die kleine Tochter ihm auf die Schultern zu setzen. Er sei damit "völlig überfordert" gewesen. Die Tochter wog ziemlich genau eine Tonne und er hätte gedacht: Wie kann ein 5 Monate altes Kind so schwer sein? Seine Endzeit übrigens sei grottenschlecht gewesen, nämlich 10:22 Stunden.

Da strahlt der Verfasser dieser News. Denn exakt die gleiche Zeit hat er das erste mal auf Hawaii gebraucht. 10:22 Stunden. Als vergleichsweise völlig untrainierter älterer Herr. Punkt.

Dass ein Radprofi aber einfach so 2:42 für seinen ersten Marathon braucht - was sind das für Athleten! Chapeau!