Leider habe ich Lactoferrin erst vor kurzem kennen und persönlich schätzen gelernt. Ich hätte mir wohl viele Jahre mit schlechten Eisenwerten und einem roten Blutbild, das immer kurz vor der Diagnose „Eisenmangelanämie“ war, ersparen können.

Seit ich denken kann, waren meine Eisenwerte eine Katastrophe. Nur mit Mühe und Not schaffte ich einen Ferritinwert von 30 ng/ml. Immer wieder wurden mir Eisentabletten und diverse Säfte verordnet, die ich nach kurzer Zeit wieder absetzte, weil ich nicht nur Verstopfung und Blähungen bekam, sondern der Stuhl sich auch grau-schwarz verfärbte. Viele Frauen können meine Erfahrungen sicherlich gut nachvollziehen. Eisenmangel ist ein typisch weibliches Problem, vor allem bei jüngeren Frauen vor der Menopause.

Die Stuhlverfärbung ist ein deutliches Zeichen dafür, dass das zugeführte Eisen zum großen Teil gar nicht vom Darm resorbiert wurde und somit leider die Zielzellen im Knochenmark und im restlichen Organismus erst gar nicht erreichte. Eisen wird hauptsächlich im Zwölffingerdarm von den Darmschleimhautzellen ins Blut aufgenommen. Die Ausbeute ist jedoch generell denkbar schlecht. Nur etwa 10% bis 15% der Eisenmoleküle werden bestenfalls resorbiert.

Das Glykoprotein Lactoferrin kann hier schnell Abhilfe schaffen, wie ich selbst erleben durfte. Das Molekül besitzt zwei Bindungsstellen für Eisenionen. Diese ermöglichen es Eisen aus der Umgebung wie ein Magnet an sich zu ziehen. Und anders als Eisen allein, kann Lactoferrin leicht die Darm-Blut-Passage überwinden, auch mit Eisenionen im Gepäck. Nach wenigen Wochen Lactoferrin-Einnahme steigen plötzlich Ferritin, Hämoglobin und die Erythrozyten-Anzahl an.

Lactoferrin kann aber noch viel mehr. Ein bekannter Lactoferrin-Forscher bezeichnete es einmal als „Wundermolekül“. Zu Recht, wie ich finde, denn es wirkt


  • antiviral
  • antibakteriell
  • antioxidativ
  • immunstimulierend
  • antientzündlich
  • regulierend auf eine krankhaft erhöhte Mastzellenaktivität

Lactoferrin findet sich natürlicherweise im gesamten Körper, vor allem auf Schleimhäuten, die eine wichtige Barrierefunktion haben, wie Bronchien, Nase, Darm und Vagina. Aber auch im Gehirn sind Lactoferrin-Rezeptoren gefunden worden.

Die höchste Konzentration findet sich interessanterweise in der Muttermilch, insbesondere im Kolostrum und in der Übergangsmilch, also in der Muttermilch, die in den ersten Lebenstagen und Wochen des Säuglings, gebildet wird. Dadurch sind Neugeborene, die gestillt werden, in den ersten Lebenswochen weitestgehend vor Infektionen geschützt. Studien konnten zeigen, dass Stillen wegen des Lactoferrins vor einer Infektion mit Haemophilus influenzae, schützen. Infektionen mit diesem Bakterium können bei Säuglingen und Kleinkindern schwere Atemwegsinfektionen mit lebensbedrohlicher Epiglottitis sowie Gehirnhautentzündung auslösen.

Leider erleiden viele Kinder und Erwachsene häufig einen Lactoferrinmangel, z. B. ausgelöst durch Antibiotikagaben. Daher ist eine gezielte Zufuhr von Lactoferrin sinnvoll, immer dann wenn chronische Entzündungsprozesse oder Immunschwächen vorliegen.

Meiner Meinung nach sollte bei Eisenmangel immer Lactoferrin in Kombination mit Eisen verordnet werden. Auch wer keine Eisentabletten verträgt (auch das gibt es nicht selten!) wird von Lactoferrin profitieren, dass es entzieht schädlichen Darmbakterien das Eisen und stellt es dem Körper zur Verfügung. Es wirkt also doppelt, indem es die schädlichen Darmbakterien zum Absterben bringt (ohne Eisen kein Leben, das gilt auch für die meisten pathogenen Bakterien) und die Beute in den Blutkreislauf weiterleitet.

Lactoferrin und Eisen gehören für mich mittlerweile genauso zusammen, wie beispielsweise die Gabe von Selen mit Jod oder Vitamin B12 mit Folat. Mikronährstoffe kommen in der Natur auch selten isoliert vor. Von daher machen intelligente Nährstoffkombinationen oftmals mehr Sinn als Einzelgaben.


Quellen:
Kowalczyk P, Kaczyńska K, Kleczkowska P, Bukowska-Ośko I, Kramkowski K, Sulejczak D. The Lactoferrin Phenomenon-A Miracle Molecule. Molecules. 2022 May 4;27(9):2941. doi: 10.3390/molecules27092941. PMID: 35566292; PMCID: PMC9104648.

Brock JH. Lactoferrin--50 years on. Biochem Cell Biol. 2012 Jun;90(3):245-51. doi: 10.1139/o2012-018. Epub 2012 May 10. PMID: 22574842.



Über die Autorin:


"Kyra Kauffmann, Jahrgang 1971, Mutter zweier kleiner Söhne, Volkswirtin, seit 20 Jahren niedergelassene Heilpraktikerin, Buchautorin, Dozentin, Journalistin und seit 3 Jahren begeisterte Medizinstudentin.

Zur Medizin kam ich durch meine eigene schwere Erkrankung mit Anfang 30, bei der mir seinerzeit kein Arzt wirklich helfen konnte. („Ihre Werte sind alle super – es ist alles rein psychisch!“). Hilfe bekam ich von Heilpraktikern, die zunächst einmal eine wirklich gründliche Labordiagnostik durchgeführt haben, ganz nach dem Vorbild von Dr. Ulrich Strunz. Es war eine neue Welt, die sich mir eröffnete und die Erkenntnisse, haben mich sofort fasziniert (ohnehin bin ich ein Zahlen-Daten-Fakten-Fan und habe nicht umsonst das Studium der VWL gewählt). Die Begeisterung war so groß, dass ich meinen alten Beruf an den Nagel hängte und Heilpraktikerin wurde. Meine Praxis führe ich seit 20 Jahren mit großer Begeisterung und bin – natürlich - auf Labordiagnostik spezialisiert und kann so oft vielen Symptomen auf den Grund gehen. In 2 Jahren hoffentlich dann auch als Ärztin.