Moderne Labordiagnostik wird von den allermeisten Heilpraktikern und Ärzten leider nicht beherrscht. Ich frage mich oft, warum auch bei schweren Erkrankungen nur eine Schmalspur-Diagnostik auf dem Stand der Neunziger Jahre gefahren wird. Dabei gibt es so viel mehr Möglichkeiten heutzutage.

Jeder Therapeut lernt: Erst die gründliche, umfassende Diagnostik – dann die Therapie.

Ein typischer Fall von Mangeldiagnostik ist die so genannte „Histaminintoleranz“.

Um Ihnen das zu verdeutlichen, hier ein typischer Dialog, den ich so (oder ähnlich) fast täglich in meiner Praxis führe.

Patient: „Ich bin histaminintolerant.“
Ich: „Wie genau wurde die Diagnose gestellt?“
Patient: „Mein DAO-Wert im Blut sei zu niedrig, sagt mein Arzt/Heilpraktiker. Ich soll jetzt zu einer Ernährungsberaterin gehen, die mir genau sagt, was ich von nun an nicht mehr essen soll.“

Ein erniedrigter Wert des Enzyms Diaminoxidase (DAO, Normbereich: > 10 U/ml) wird im allgemeinen als einziger Grund für die Diagnose „Histaminintoleranz“ angesehen. Für mich ist ein erniedrigter DAO-Wert zunächst einmal nur ein Indiz und Motivation, der Angelegenheit weiter auf den Grund zu gehen. Die Kardinalfrage lautet: Warum ist das Enzym so niedrig?

Nach mehr als 20 Jahren Histamin-Diagnostik kann ich sagen, dass häufig folgende Fehler bei der Histamin-Diagnostik gemacht werden.


  1. Missachtung des Kupfer- und Vitamin B6-Spiegels
    Die DAO ist eine kupferhaltige Aminoxidase, die ohne ausreichende Kupferversorgung nicht synthetisiert werden kann. Ohne Kupfer, keine Diaminoxidase. Ohne Vitamin B6 keine Aktivierung der DAO. Die Kupfer- und Vitamin B6-Spiegel müssen daher immer mitgemessen werden. Oft reicht ein Anheben dieser Level aus, um alle Histaminsymptome nachhaltig zu beseitigen.

  2. Fehlerhafte Präanalytik
    Die DAO ist leider, wie so viele Enzyme, sehr empfindlich. Um korrekte Werte zu ermitteln, bedarf es unbedingt einer Zentrifuge in der Arztpraxis sowie eine schnelle Verarbeitung der Probe. Wird dieses nicht beachtet und eine Blutprobe gar unzentrifugiert per Post verschickt, erhält man fast immer einen falsch-niedrigen DAO-Wert. Daher gilt grundsätzlich (nicht nur beim DAO-Wert) immer eine Laboruntersuchung ein zweites Mal durchzuführen, bevor man sich vorschnell zu einer Diagnose hinreißen lässt, die das Leben des Patienten nachhaltig beeinflusst. („Nun müssen Sie für den Rest Ihres Lebens histaminarm essen.“)

  3. Nur ein DAO-Typ wird gemessen
    99 % der Therapeuten messen nur die DAO im Blut und erstellen aufgrund dieses Wertes dann eine Diagnose. Die Diaminoxidase, die im Blut gemessen wird, stammt allerdings aus den Nieren. Ihre Aufgabe ist es, frei zirkulierende biogene Amine (in höheren Mengen toxisch für den Organismus) abzubauen. Macht ja auch Sinn, dass die Niere, die oberste Wächterin über die Blutzusammensetzung, diese Aufgabe übernommen hat. Die Nieren-DAO aka Blut-DAO übernimmt für Frauen im gebärfähigen Alter noch eine wichtige Aufgabe: Sie entsorgt freiwerdendes Histamin, das während der Menstruation entsteht und reguliert den Histaminspiegel insbesondere in den ersten 14 Schwangerschaftswochen. Im Verlauf einer Schwangerschaft steigt der DAO-Wert im Blut dank der Niere auf ein Vielfaches an. Man misst dann plötzlich Werte statt von 9 Um/ml von 180 U/ml.
    Genauso wichtig ist aber die Diagnostik der Darm-DAO. Sie ist baugleich mit der Nieren-DAO, sitzt aber in der Dünndarmschleimhaut und kümmert sich darum, dass biogene Amine, u.a. Histamin aus der Nahrung, aus Entzündungsprozessen im Darm, aus “verrückten“ Mastzellen (dazu mehr in der nächsten News) abgebaut werden. Auch diese DAO braucht essenziell Kupfer und Vitamin B6. Die Darm-DAO ist die erste Abwehrfront und sorgt dafür, dass Histamin aus der Nahrung erst gar nicht über die Darm-Blut-Schranke in den Körper gelangt. Eine gesunde Darmschleimhaut ist in der Lage ad hoc bei einem ausgedehnten italienischen Abendessen mit Gorgonzola und Tiramisu durch sofortige Bereitstellung von erhöhten Mengen an Diaminoxidase für einen schnellen Abbau von Nahrungshistamin zu sorgen. Zwei Voraussetzungen sind allerdings notwendig: Eine gesunde (!) Darmschleimhaut (dazu gibt es viele hervorragende News) und ausreichende Kupfer- und Vitamin B6-Mengen.

  4. Keine Messung der Histamin-N-Methyltransferase (HNMT)
    Eine Bestimmung der DAO reicht nicht aus. Sie ist NICHT spezifisch für Histamin, sondern auch für andere in der Nahrung vorkommende Amine. Das einzige spezifische Enzym ist die Histamin-N-Methyltransferase. Sie benötigt als Cofaktoren Magnesium, Vitamin B12, Mangan sowie SAME. Sie sitzt vor allem in den Lymphknoten, in der Lunge und im Magen-Darm-Trankt. Sie wird von den entsprechenden Zellen selbst gebildet und wirkt nur intrazellulär. Das macht ihre Bestimmung so schwierig. Aber es gibt dennoch Wege ihre Funktion zu überprüfen, nämlich über die wichtigen Laborparameter Methyl-Histamin im Urin und die totale Histaminabbaukapazität.

Lassen Sie sich keinesfalls vorschnell zu einer zweifelhaften „histaminarmen“ Ernährungsweise überreden (Ausnahme: kompletter Verzicht auf Alkohol, das gilt aber für jeden). Bestehen Sie auf eine umfassende Diagnostik. Denn erfahrungsgemäß geht es Menschen auf Eliminationsdiäten schlechter, denn diese führen nicht zur Heilung.


Über die Autorin:


"Kyra Kauffmann, Jahrgang 1971, Mutter zweier kleiner Söhne, Volkswirtin, seit 20 Jahren niedergelassene Heilpraktikerin, Buchautorin, Dozentin, Journalistin und seit 3 Jahren begeisterte Medizinstudentin.

Zur Medizin kam ich durch meine eigene schwere Erkrankung mit Anfang 30, bei der mir seinerzeit kein Arzt wirklich helfen konnte. („Ihre Werte sind alle super – es ist alles rein psychisch!“). Hilfe bekam ich von Heilpraktikern, die zunächst einmal eine wirklich gründliche Labordiagnostik durchgeführt haben, ganz nach dem Vorbild von Dr. Ulrich Strunz. Es war eine neue Welt, die sich mir eröffnete und die Erkenntnisse, haben mich sofort fasziniert (ohnehin bin ich ein Zahlen-Daten-Fakten-Fan und habe nicht umsonst das Studium der VWL gewählt). Die Begeisterung war so groß, dass ich meinen alten Beruf an den Nagel hängte und Heilpraktikerin wurde. Meine Praxis führe ich seit 20 Jahren mit großer Begeisterung und bin – natürlich - auf Labordiagnostik spezialisiert und kann so oft vielen Symptomen auf den Grund gehen. In 2 Jahren hoffentlich dann auch als Ärztin.