Wir verwenden Cookies, um Ihre Erfahrung zu verbessern. Um die neuen Datenschutzrichtlinien zu erfüllen, müssen wir Sie um Ihre Zustimmung für Cookies fragen. Weitere Informationen
L-Tryptophan gegen Verstopfung
Im Jahr 1930 entdeckte ein junger italienischer Chemie-Student, dass bestimmte Zellen in der Darmschleimhaut ein Protein abgeben, das die Motilität und Peristaltik des Darms maßgeblich beeinflusst. Er nannte dieses Protein, ein Amin, nach dem Entdeckungsort „Enteramin“. „Enteron“ bedeutet im Altgriechischen „Darm“.
Erst mehr als 20 Jahre später, 1953, wurde genau dieselbe Substanz auch im Gehirn nachgewiesen, gebildet von speziellen Nervenzellen. Der Einfachheit halber einigte man sich später darauf, beide Moleküle als „Serotonin“ (5-Hydroxytryptamin) zu bezeichnen.
Weder Serotonin im Darm noch Serotonin im Gehirn treffen jemals aufeinander. Denn Serotonin kann die Blut-Hirn-Schranke nicht überwinden. Serotonin im Darm, das ursprüngliche Enteramin, wird im Darm gebildet, bleibt im Darm und wird im Darm abgebaut. Serotonin im Gehirn wird dort gebildet, verbleibt dort und wird auch dort abgebaut.
Im Gehirn ist Serotonin unser wichtigstes Glückshormon. Sie kennen es bereits zu Genüge aus vielen News-Beiträgen. Was wäre unser Leben ohne Serotonin?
Ein Jammertal. Jeder, der schon mal selbst im Serotoninmangel war, weiß, wie sich dieses Jammertal anfühlt: Depression, Angst, Schlafstörungen, Heißhungerattacken und mitunter auch chronische Schmerzen.
Und wer weiß, dass unser Serotonin-Fass sich in erster Linie aus der Zufuhr der essenziellen Aminosäure L-Tryptophan (und einigen Cofaktoren, wie Vitamin B6) füllt, der weiß auch, wie man aus dem Jammertal herausfinden kann.
Das Glückshormonmangel-Syndrom behandele ich ganz einfach mit ein bis zwei Gramm L-Tryptophan über den gesamten Tag verteilt. In hartnäckigen Fällen verordne ich auch mehr.
Hartnäckige Fälle sind vor allem die Patienten, die – neben den typischen Serotoninmangel-Symptomen – auch von chronischer Verstopfung geplagt werden.
Menschen mit Glückshormonmangel-Syndrom haben oft einen generalisierten L-Tryptophan-Mangel, der den gesamten Körper betrifft, nicht nur das Gehirn. Dies ist erkennbar an einer chronischen Verstopfung. Diese wird oft nur so nebenbei oder auf gezielte Nachfrage hin erwähnt, da die meisten sie nicht für erwähnenswert, für zu banal, halten.
Ohne Tryptophan steht nicht nur die Glückhormonsynthese still.
Auch der Darm steht still.
Die Serotoninsynthese in den Darmschleimhautzellen bleibt aus. Die gesamte Regulation der Darmbewegungen, auch Peristaltik und Motilität genannt, wird über Serotonin reguliert.
Zu wenig Serotonin führt zu Verstopfung.
Zu viel Serotonin führt zu Durchfall.
Ohne Tryptophan wird zudem die Neubildung und die Reparatur der Darmschleimhaut heruntergeregelt. In der Folge kann auch leicht ein Leaky-Gut-Syndrom entstehen.
Ein Beispiel aus meiner Praxis:
Eine Patientin, 53 Jahre, litt bereits seit ihrer Kindheit unter chronischer Verstopfung. Eigentlich kam sie wegen starker Schlafstörungen in meine Praxis. Wegen der Verstopfung hatte sie schon „alles durch“, wie sie sagte:
- Flohsamen
- Leinsamen
- Erhöhung der Flüssigkeitszufuhr
- Trockenobst
- Massagen
- Darmspülungen
- Sauerkraftsaft u.v.m.
Nichts half ihr nachhaltig und dauerhaft.
Wie immer, messe ich zunächst einmal alle relevanten Werte: L-Tryptophan im Rahmen eines Aminogramms im Blut, aber auch direkt im Stuhl, Serotonin im Urin und im Stuhl; und nicht zuletzt auch das Melatonin.
Wenig überraschend, dass quasi alle Werte deutlich vermindert waren. Schuld war ein systemischer L-Tryptophan-Mangel.
Durch die tägliche Gabe von 3 x 1 Gramm L-Tryptophan waren innerhalb von 3 Wochen alle Probleme weitestgehend gelöst.
Manchmal ist Medizin sehr einfach.
Quellen:
Blonska A, Chojnacki M, Macieja A, Blasiak J, Majsterek I, Chojnacki J, Poplawski T. Tryptophan Metabolism in Postmenopausal Women with Functional Constipation. Int J Mol Sci. 2023 Dec 24;25(1):273. doi: 10.3390/ijms25010273. PMID: 38203444; PMCID: PMC10778582.
Gershon MD, Tack J. The serotonin signaling system: from basic understanding to drug development for functional GI disorders. Gastroenterology. 2007 Jan;132(1):397-414. doi: 10.1053/j.gastro.2006.11.002. PMID: 17241888.
Über die Autorin:
"Kyra Kauffmann, Jahrgang 1971, Mutter zweier kleiner Söhne, Volkswirtin, seit 20 Jahren niedergelassene Heilpraktikerin, Buchautorin, Dozentin, Journalistin und seit 3 Jahren begeisterte Medizinstudentin.
Zur Medizin kam ich durch meine eigene schwere Erkrankung mit Anfang 30, bei der mir seinerzeit kein Arzt wirklich helfen konnte. („Ihre Werte sind alle super – es ist alles rein psychisch!“). Hilfe bekam ich von Heilpraktikern, die zunächst einmal eine wirklich gründliche Labordiagnostik durchgeführt haben, ganz nach dem Vorbild von Dr. Ulrich Strunz. Es war eine neue Welt, die sich mir eröffnete und die Erkenntnisse, haben mich sofort fasziniert (ohnehin bin ich ein Zahlen-Daten-Fakten-Fan und habe nicht umsonst das Studium der VWL gewählt). Die Begeisterung war so groß, dass ich meinen alten Beruf an den Nagel hängte und Heilpraktikerin wurde. Meine Praxis führe ich seit 20 Jahren mit großer Begeisterung und bin – natürlich - auf Labordiagnostik spezialisiert und kann so oft vielen Symptomen auf den Grund gehen. In 2 Jahren hoffentlich dann auch als Ärztin.