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Gangschaltung
Haben Sie am Fahrrad. Wozu? Merken Sie, wenn der Berg beginnt. Die Kraft, Ihre Muskelkraft im Bein reicht nicht mehr. Abhilfe? Die Gangschaltung. Sie schalten 2, 3, 4-Gänge höher und plötzlich… reicht die Kraft wieder. Dafür fahren Sie aber auch viel langsamer.
Profis versuchen das auszugleichen mit höherer Trittfrequenz. Mit der Kadenz. Die können das. Unsereiner gerät dabei gar arg ins Schnaufen. Hohe Trittfrequenz ist hohe Kreislaufbelastung. Nun ja… dann geht es eben langsamer. Den Berg hoch. Mit der Gangschaltung.
Die Trittkraft zu reduzieren ist sinnvoll, um den Muskel zu schonen. Für später. Wenn der Berg länger dauert. Wenn das Radrennen länger dauert. Wenn die Tour de France ein paar Tage dauert. Dann sollte der Muskel nicht zu sehr übersäuern. Nicht zu sehr leiden. Alles sehr sinnvoll.
Sinnvoll? Mag ich nicht.
Sport war für mich nie etwas Vernünftiges. Ich habe dort selten sinnvoll gehandelt. Ich wollte Spaß. Freude. In Wahrheit war und ist für mich Sport eine Welt voller Wunder. Kam mir immer vor wie ein Zaubergarten, an dessen Gitter ich stehe und mit offenem Munde voll Ehrfurcht erstarrt bin. Vor diesen Modellathleten. Was die alles können! Was die für Kraft haben! Wie schnell die sind!
Hinter dem Staunen verbarg sich Dankbarkeit. Hier mitmachen zu dürfen. Von all diesen ernsthaften Sportlern sogar – ein bisschen – akzeptiert zu werden. Nur eben: Mit Vernunft hatte das für mich nie etwas zu tun. Was ist an Hawaii vernünftig??
Drum: Wenn ich Rad fahre, und das tu ich täglich, und der Hügel kommt, und der kommt täglich, verhalte ich mich eben nicht vernünftig. Da nütze ich nicht die Gangschaltung des Rades, sondern
meine innere Gangschaltung
und die bleibt im großen Gang. Da wird nicht geschaltet. Da wird einfach stärker draufgetreten. Mit Kraft. Mit noch mehr Kraft. Die das Bein eigentlich gar nicht hergibt. Aber dann eben erst recht. Vorschlag: Probieren Sie´s mal aus. Überwinden Sie mal die Sekunden, in denen Sie glauben, jetzt müssten Sie runterschalten. Wie jeder andere.
Bleiben Sie im großen Gang. Drücken Sie. Eine hochelegante, sehr wirkungsvolle Methode, in den Flow zu geraten. Sich selbst vom Beinschmerz zu absentieren. Abzukoppeln. Und – aus Trotz – sogar noch mehr Gas zu geben. Also im großen Gang buchstäblich die Steigung hochzubeschleunigen.
Da öffnet sich eine Tür. Zu einem völlig anderem Lebensgefühl. Dem Gefühl des Triumphes. Des Könnens. Des sich die Augen reibens: „Ich kann ja!!“ Plötzlich fühlt man sich… erwachsen.
Voeckler kann das. Natürlich auch alle anderen Profis. Nur: Zwischen zugucken und selbst fühlen… liegt das Himmelreich.
Die innere Gangschaltung. Ein Weg in den Flow.