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Faszien
Sie wissen doch was Faszien sind, nicht wahr? Das Thema ging in den letzten Jahren auf und ab. Jeder Halbinformierte hat dazu eine Meinung und ein Großteil davon ist leider nicht verwertbar, weil das Internet als Informationsquelle für den Normalverbraucher eine Überforderung ist. Da steht hier, dass Faszien völlig überbewertet werden und dort steht, dass man mit der richtigen Technik seine Rückenschmerzen komplett loswerden kann. Anderswo melden sich dann Fachleute zu Wort, deren Aussagen oft verdreht und schwammig interpretiert werden.
Für diese Unklarheit gibt es gute Gründe. Das menschliche Bindegewebe, gebildet von Fibroblasten und der sogenannten extrazellulären Matrix, bestehend aus Bündeln von Kollagen, Elastin und dem daran gebundenen Wasser, wurde lange als bereits erforscht abgestempelt und spielten keine entscheidende Rolle in der Forschung. Außerdem sind Faszien, das Herzstück des Bindegewebssystems, bislang schwer mit bildgebenden Verfahren quantifizierbar gewesen. Erst seit einigen Jahren ist das Thema wieder auf dem Vormarsch und neue diagnostische Werkzeuge entwickeln sich. Eine Veränderung an der Faszienstruktur kann heute nicht mehr nur durch die Hand eines geübten Therapeuten oder der eigenen Körperwahrnehmung festgestellt werden. Diese neue Forschung hat einen Einfluss auf viele Felder der modernen Medizin und Trainingswissenschaft. Nicht nur manuelle Therapeuten profitieren davon. Auch in der Narbenbehandlung, der Onkologie, Chirurgie, rehabilitiven Medizin und im Leistungssport wird darüber diskutiert.
Neu definiert werden Faszien als „alle Komponenten, die ein faserförmiges Bindegewebesystem aus drei-dimensional miteinander vernetzten lockeren und straffen kollagenen Anteilen bilden, dass den menschlichen Körper als kollagenes Kontinuum durchdringt.“(1) Dieses Gewebe durchdringt jedes Organ, jeden Muskel, Knochen und Nerv und erfüllt damit die Aufgabe, den Körper mit einer funktionellen Struktur auszustatten, die es allen Körpersystemen erlaubt, aufeinander abgestimmt zu arbeiten. Auch Sehnen und Bänder sind nach dieser Definition als Faszie zu verstehen.
Das Thema spielt längst auch in der Biomechanik eine große Rolle, weil es das frühere Verständnis ablöst, dass die Funktion eines Muskels allein durch seinen Ursprung, Ansatz und der Ausrichtung der Muskelzellen definiert werden könnte. Heute ist klar, dass ein Muskel seine Kraft nicht vollständig über die Sehnen auf das Skelett, sondern bis zu 40 % auch auf andere Muskeln überträgt, die durch das fasziale Netzwerk mit ihm verknüpft sind. Dieses Prinzip der Kraftübertragung resultiert im perfekten Zusammenspiel aus Anspannung, Entspannung und Vorspannung, um eine flüssige Bewegung auszuführen. Sie können sogar an sich selbst die Evolutionsbiologie der Faszien nachvollziehen. Mit dem aufrechten Gang entwickelte der Mensch die Fascia lata, die sich an der Außenseite des Oberschenkels befindet und unsere Hüfte beim Laufen stabilisiert. Jetzt enttarnt sich auch, ob Sie oft auf zwei Beinen unterwegs sind, oder doch zu lange auf Ihrem Hintern sitzen. Tasten Sie Ihre Oberschenkelinnenseite ab und wechseln Sie anschließend auf die Außenseite. Die Außenseite sollte sich deutlich straffer anfühlen, insbesondere, wenn Sie Ihr Bein strecken. Wer regelmäßig wandert oder läuft, der wird einen Unterschied verspüren.
Faszien formen sich je nach Beanspruchung. Bis sich eine Faszie strukturell verändert dauert es aber sehr lange. Fibroblasten, die Bindegewebe-bildenden Zellen, reagieren auf die Belastungsrichtung und -dauer und bauen so eine höchstindividuelle fasziale Matrix, die den alltäglichen Bewegungsmustern eines Menschen folgt, auf. Wenn Sie acht Stunden am Schreibtisch sitzen und die restlichen acht Stunden im wachen Zustand ohne Ausgleichsstrategien verbringen, entwickeln Sie einen faszialen Fingerabdruck, der auf Dauer wenig Spielraum für eine gesunde Körperkonstitution zulässt. Ihre Faszienmatrix wird auf die Haltung programmiert, die Sie die meiste Zeit des Tages einnehmen. Dem können Sie entgegenwirken, indem sie Sport treiben. Grundsätzlich ist jede Art von Bewegung ein positiver Stimulus für einen Fibroblasten, um die Struktur der Faszien besser zu ordnen. Jedoch stellen sich bestimmte Übungen als ein idealer Wachstumsreiz heraus.
Wie könnte es anders sein? Sie wissen es intuitiv und ich bestätige es Ihnen jetzt: Laufen und Walken (auch Wandern) fordert die Faszien. Es liegt in der Natur der Dinge, dass man beim Fortbewegen auf zwei Beinen Anstiege überwinden muss, im Anschluss wieder absteigt, dass man beschleunigt und wieder abbremst. Das haben diese Bewegung mit Sprüngen und Wurfbewegungen gemein: Sie eignen sich perfekt zum Faszientraining. Die Liste der Übungen ist lang und die biochemischen und -mechanischen Prozesse dahinter komplex, drum möchte ich es vorerst dabei belassen und werden Sie bald wieder davon überzeugen, warum auch Pilates, Yoga, Tanzen und die Kettlebell in diesem Kontext wirksam sind und was ein Känguru damit zu tun hat.
Quelle: Buch – Fascia In Sport and Movement, 2021, 2nd edition, Editors: Robert Schleip, Jan Wilke, Amanda Baker & Contributors
(1) Chapter 1, page 4 (Highlights of fascial anatomy, morphology and function)
Über den Autor:
“Justus Mörstedt widmete sich bis zu seinem 14. Lebensjahr in seiner Freizeit dem Triathlon, bevor er sich endgültig auf sein Lieblingselement, das Wasser, fokussierte und Finswimmer wurde. Seit 2019 ist er Sportsoldat und studiert und trainiert im Leistungszentrum Leipzig.
Doch lassen wir ihn selbst zu Wort kommen: „Hier lebe ich meinen Traum: Leistungssport und Medizinstudium. Mich fasziniert es, das neu Erlernte im Sportleralltag in die Praxis umzusetzen und somit den oft trockenen Inhalten ein wenig Leben einzuhauchen.“
Diese Kombination macht sich bezahlt: im Juli 2024 wurde er zweifach Weltmeister. Über 200m Streckentauchen hält er den Europarekord. Falls Sie neugierig geworden sind, was Finswimming ist, sehen Sie sich in den News um, oder werfen eine beliebige Suchmaschine an!
Forever young wurde ihm mit seinem Einstieg in den Profisport sozusagen „in die Wiege gelegt“. Sein Trainer sagte immer: „Wer hier mitmachen will, muss mindestens ein Strunz-Buch gelesen haben.“ Zu Wettkämpfen verteilte er den Sportlern immer Vitamineral 32. Mit den Jahren in Leipzig hat sich in seinem 23 Jahre jungem Kopf so einiges zusammengesammelt, was er gerne mit Sportlerkollegen unter anderem hier in den News teilt. Dabei unterstützen wir als forever young ihn als Sponsor."