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Etwas Selbstverantwortung, bitte
„Etwas Respekt, bitte“ sagt man uns schon auf SPIEGEL ONLINE. Erschöpfung macht sich breit unter den Politikern. Ausgebrannt, „vor lauter Terminen kaum noch Zeit, mal in Ruhe über etwas nachzudenken.“
„Viele nehmen sich in der Hitze der Debatte in sozialen Medien oft nicht die Zeit, nachzuvollziehen, welcher Druck im Alltag des Politikbetriebs herrscht.“
Politiker also jammern über Erschöpfungsdepression, Bluthochdruck oder Stoffwechselstörungen.
Und versinken im Opferrollen-Denken. Die da draußen, also die Bürger, die mit ihren Stammtischargumenten seien schuld. Dass die nicht nachdenken können….
Sie als strunz.com Leser wissen: wir sind nicht machtlos. Grundsätzlich nicht. Wir können nachdenken, trotz Stress.
Unsere Körper können Berge versetzen, wir sind geschaffen, Stress zu widerstehen. Opferrollen-Denken führt ins Nichts. Wer Angst und Scham empfindet, kann immer Hilfe finden. (siehe „Arsch hoch beginnt im Kopf“).
SPIEGEL Online also schnell wieder geschlossen. Was hatte ich mir auch nur dabei gedacht…
Tiefster Respekt gebührt denen, die nicht aufgeben und das Leid mit sich tragend Nutzen schaffen.
Solchen Nutzen schaffte „Rudolf S.“ mit seiner Geschichte. Die motiviert. Die vor Stärke leuchtet und anderen Mut macht. Und soll hier ein Gastbeitrag werden. Danke an Rudolf!
Gastbeitrag
Vom OP-Tisch zur Finishline des Berlinmarathons.
Gastbeitrag von Rudolf S.
Habe nie behauptet, dass dieser Weg einfach sein wird. Mir jedoch bereits vor knapp 20 Monaten klar, dass ich ihn gehen werde. Damals im Februar 2018. Nach einer knapp 3-stündigen OP.
Das Böse Karzinom musste weg.
Beinahe alle um mich herum wunderten sich. Über meinen Optimismus. Meine positive Einstellung. Für mich war aber damals bereits klar – das ist nicht das Ende. Das war es noch lange nicht. Das Leben - auch mit Sport - geht weiter.
Selbstverständlich habe ich eine sportliche Vergangenheit. Im Bereich der Ausdauer. Triathlon. Langdistanz. Das hat mir auf den Weg nach Berlin geholfen. Nicht nur physisch, auch psychisch.
Körper und Geist haben sich an die damaligen Vorbereitungsphasen erinnert. An Disziplin, an Willen, die Motivation. An die unvergesslich schönen Stunden der erforderlichen Trainingseinheiten.
Am 29.9. 2019 stand ich also wieder und mit mir noch weitere knapp 42.000 Läufer am Start des Marathons in Berlin. Warteten, dass es endlich losging. Ich wollte auf diese Runde durch die Stadt.
Meine Vorbereitung verlief ohne Verletzungen. Ohne Erkrankungen. Die Laufumfänge waren richtig gewählt und die Vorbereitungswettkämpfe brachten genau die erwarteten Ergebnisse. Die Selbsteinschätzung funktionierte. Mit knapp 65 weiß man, was man zu tun oder zu lassen hat. Nennt sich Erfahrung.
Das Rennen bei kühlem 13 Grad und leichtem Regen ging wie jedes Rennen los. Für viele natürlich viel zu schnell. Mein Plan war ein anderer. Knapp unter 7 Minuten pro Kilometer beginnen. Nicht schneller. Funktionierte beinahe zu 100%. Für die ersten 10 km betrug die Laufzeit 67 Minuten.
Der Rhythmus war gefunden. Das Renntempo passte sehr gut. Die Zeit für den Halbmarathon betrug 2 Stunden 26 Minuten.
Nun begann die schönste Zeit des Laufes. Für mich. Nicht für die, die ich überholte. Es waren viele. Für die war es bereits jetzt hart. Sehr hart. Trotz der Euphorie musste ich meine Lauf-Uhr im Blick behalten. Es war noch ein langer Weg zu laufen. Es klappte. Ich wurde nicht schneller.
Die anderen aber langsamer. Und daher reihte sich ein Erfolgserlebnis an das andere.
Überholen ist etwas sehr Schönes.
Den Kilometer 30 hatte ich nach 3 ½ Stunden erreicht. Die Schritte wollten kürzer werden. Die Müdigkeit machte sich langsam bemerkbar. Irgendwann ist also das Hirn, der Geist gefragt. Ist man mental gefordert. Wusste ich natürlich. Also Konzentration auf das Wesentliche. Rhythmus beibehalten. Trinken. Energiezufuhr. Positives Denken. Visualisierung.
Hat funktioniert. Wieder einmal. Bis Km 35. Da wurde es auch für mich langsam anstrengend. Ab da ist es ja jedoch nicht mehr weit. 7,2 Restkilometer. Von den anfangs 42,2. km Noch eine Stunde laufen. Die Distanz kann man auch in 2 Stunden zurücklegen. Wenn man geht. Eine Option. Mehr nicht.
Keine für mich.
Je näher das Ziel kommt, desto einfacher sollte es werden. Im Idealfall. Dachte ich auch. Wünscht sich jeder Läufer. Dabei ist die Entfernung zum Ziel zweitrangig. Ob es nun 2 Kilometer oder 200 Meter sind. Völlig egal. Das Gefühl ist es, es erlebt und geschafft zu haben. Das bleibt. Ein Leben lang. Nach 5.03.54 war mein Lauf beendet. Tatsächlich beendet. Nicht nur in meiner Vorstellung. Oder bei der Visualisierung im Training. Nein. Jetzt real. Emotionen pur. Was sonst.
Mein Lebensmotto stimmte wieder einmal:
geht nicht, gibt es nicht. Und alles kann, nichts muss.
Vielleicht ist das Laufen tatsächlich ein guter Weg, um mit unangenehmen Überraschungen im Leben besser fertig zu werden. Und ich freue mich schon jetzt auf den nächsten Marathon. Wo? Eigentlich egal.