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Die wichtigste Erkenntnis ...
Meines Lebens? Kann ich Ihnen sagen. Gründet auf einer höchst hinterhältigen, gemeinen Frage, gewachsen aus den Büchern Ouspenskys, dem Schüler von Gourdjeff. Die Namen hatte ich ein paar Mal erwähnt. Vertreter einer exklusiven esoterischen Gemeinschaft.
Die Frage war: „Was haben Sie am 24.05.2003, nachmittags, gemacht?“ Ihre Antwort: „Also, hören Sie mal, das weiß ich doch nicht mehr. Hab ich längst vergessen.“
Einverstanden. Man könnte ja jetzt hunderte solcher Daten abfragen. 3. April 1996?
29. November 2015? Sie werden die Antwort schuldig bleiben.
Jetzt Ouspensky: „Sie erinnern sich nicht? Der Nachmittag war also völlig unwichtig? Ganz unwesentlich? Es ist also völlig gleichgültig, ob Sie damals am Leben waren oder nicht, oder?“
Regt sich Widerspruch. Kein Mensch kann sich Jahrzehnte zurück an bestimmte Vor- oder Nachmittage erinnern.
„Ja eben!“ würde Ouspensky erwidern. Ihr ganzes Leben war offenbar unwesentlich, sinnlos, jedenfalls nicht wichtig, da Sie sich nicht erinnern.
Würden Sie nie akzeptieren. ABER jetzt kommt die wirkliche Gemeinheit. Ouspensky wird Sie sehr richtig darauf hinweisen, dass
… es einige wenige Momente, vielleicht 10 Augenblicke in Ihrem Leben gibt, die sich Ihnen unauslöschlich eingeprägt haben. Die Sie sofort, jederzeit abrufen können. Und zwar komplett abrufen, nicht nur das Bild, das Erleben, sondern auch der Duft, den Sie damals gerochen haben, vielleicht der Geschmack einer bestimmten Mahlzeit, vielleicht das ungeheuerliche Glücksgefühl, als jemand Ihnen sanft über das Haar gestrichen ist…
Unbestreitbar gibt es im Leben eines jeden von Ihnen solche Momente. Die fallen Ihnen auch spontan ein.
Sehen Sie, würde Ouspensky sagen, in diesen raren Momenten haben Sie gelebt. Sie waren da. Sie haben´s erlebt. Es hat sich in Sie eingebrannt. Sie werden ´s nie mehr vergessen. Das Geheimnis des Erinnerns…
Das, meint Ouspensky, sei LEBEN. Und alles andere sei automatisches, fremdbestimmtes vor sich hin dösen. Ein „Leben“ als Roboter. Da können Sie ´s gleich sein lassen. Denn, jetzt die zweite Gemeinheit:
Weshalb sind Sie eigentlich nicht ständig „am Leben“? Weshalb erinnern Sie sich nicht ständig an alles? Sind da, sind präsent, jeder Augenblick ist wichtig und bedeutsam?
Behauptung: Das könne man lernen. Deshalb diese ganze esoterische Schule. Hat mir damals sehr eingeleuchtet, damals mit 18 Jahren. Nur: Der Weg zu diesem Lebensverständnis, dem ständigen, wachen Dasein, war mir nicht gangbar. Hat etwas zu tun mit Kloster, jahrzehntelanger Meditation und so weiter. Ich – genauso wie Sie – bin ein tätiger Mensch. Das liegt mir nicht.
Also habe ich den Gedanken damals abgeschlossen. Ad acta gelegt. Vergessen.
Bis zum 09. März 1989. Abends. Als ich nach meinem ersten Ironman auf Neuseeland im Bette lag und … plötzlich Ouspensky verstanden habe. Denn ich konnte die ganzen 12 Stunden des Wettkampfes Minute für Minute abrufen. Wieder erzählen. Durchleben. Erfühlen. Ich konnte mich
ERINNERN.
Und das kann ich heute noch. Heißt: Ouspensky hat recht. Man kann. Heißt auch: Ouspensky hat nicht recht. Da brauch ich keine esoterische Schule und jahrzehntelange Bemühungen, da genügt ein
Ironman.
Jetzt wissen Sie – vielleicht das erste Mal – weshalb ich diesen Wettkampf inzwischen 19 Mal hinter mich gebracht habe. Weil man in solchen Momenten, in diesen langen Stunden endlich
lebt.
Dahinter steht selbstverständlich das Wort Flow. Kennen Sie inzwischen. Siehe die Story von Ayerton Senna. Das unbedingte Fokussieren, das Einssein mit der Tätigkeit, das Verschmelzen mit der ganzen Welt. Leben. Da sein. Und dann sich erinnern. Ewig.
PS: Aus dieser Einsicht übrigens ist mein Rezept entstanden: „Wie mache ich Flow?“ Das hat ein Mihály Csíkszentmihályi, der Erfinder dieses Begriffes nie geschafft. Der war in Hawaii – meines Wissens – nie dabei. In der Lavawüste. Um… aufzuwachen.
PS II: Sport ist eine Gnade. Privilegiert und gesegnet, wer diese Gnade täglich in sein Leben einbaut.