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Das Ungeheuer Schuh
Hab ich nie verstanden. … Schuhe! Möglichst derb, möglichst haltbar. Nur: Meine Füße waren (sind!) zart, beweglich, flexibel, empfindlich. Wieso müssen Schuhe dann praktisch Stahlsärge sein? Auf Rahmen genäht? Kennen Sie Budapester?
Unvergesslich der Besuch beim führenden Schuhhaus Deutschlands in München. Schuhpreis 3.000 DM: Neuer Schuh drückt, Fuß schmerzt. Der distinguierte Verkäufer: Nach einem Jahr Tragen passt sich der Schuh dann an.
Hätte besser wohl geheißen: Passt sich Ihr Fuß dann an. Wird verkrüppelt. Kennen wir ja aus der chinesischen Hochkultur.
Und tatsächlich habe ich – wie viele von Ihnen – verkrüppelte Füße. Hallux Valgus. Muss meine Laufschuhe, meine Radschuhe an der Großzehe ausschneiden. Eine Erlösung waren damals mit 17 beim Turniertanz die Tanzschuhe. Handschuhleder. Endlich!!!!! Da passt sich der Schuh dem Fuß an und nicht umgekehrt. Tief in meinem Herzen weiß ich, dass hier eine riesige Marktlücke besteht. Ein Milliardenmarkt. Weil selbstverständlich Millionen Menschen genauso fühlen wie ich. Und genauso leiden.
So Sabrina Fox, 57, in München, früher Moderatorin, jetzt Autorin („Auf freiem Fuß“, Allegria Verlag). Ist seit 2 Jahren barfuß unterwegs. Mutiger als ich.
Resultat? Heute sind ihre Füße
- kräftiger, muskulöser
- besser durchblutet, nicht mehr kalt.
Besitzt nur noch ein Paar (statt 102 Paar) Schuhe, Barfußschuhe. Und was ist tatsächlich passiert?
- statt hart mit den Fersen aufzutreten
- geht sie nun leichtfüßig
- mit Betonung auf dem Vorderfußballen (alles Zitat)
Die Ärzte „seien begeistert“ von der Gesundheit ihrer Füße. Auch ihre Rückenprobleme seien verschwunden.
So weit so gut. Das ist Natur. Genetisch korrekt. Frohmedizin. Hätten Sie gern ein bisschen Drohmedizin?
Da gibt´s in der Chariteé Berlin den Prof. Karsten Dreinhöfer. Spezialist auch für Füße. Hat extra eine Aktion „Orthofit“ gegründet. Versucht hier bereits Kindern und Jugendlichen, optimale Bewegungsabläufe zu erläutern. Und wie tut er das? Der Herr Professor?
- „Der optimale Gang ist ein Abrollen über Ferse und Mittelfuß hin bis zum Vorderfuß und dem abschließenden Bodenkontakt aller Zehen.“
Tja. Fragen Sie mal Frau Sabrina Fox. Die wird schon lange nicht mehr versuchen, zu erklären, zu argumentieren, die wird’s einfach tun. Die wird gehen, so wie Gott es gewollt hat, wie er unseren Fuß geschaffen hat. Nämlich auf dem Vorfuß. Auf dem Vorderfußballen.
Das Aufdonnern mit der Ferse, ermöglicht erst durch die Erfindung des Absatzes, ist Menschenwerk. Erschüttert alle Gelenke, erschüttert Ihre Wirbelsäule, erschüttert Ihr Gehirn. Glauben Sie nicht?
Trippeln Sie doch einfach mal. Jetzt. In der Wohnung. Auf der Stelle. Merken Sie was?
Und jetzt versuchen Sie das Ganze auf der Hacke. Auf der Ferse. Wer da nicht Kopfschmerzen bekommt…
Ich verstehe Menschen wie Prof. Dreinhöfer schon lange nicht mehr. Was machen die? Was beabsichtigen die? Wahrscheinlich gar nichts. Der kann einfach noch gar nicht über gesundes Laufen nachgedacht haben. Der stellt einfach fest, was er selbst tut, und erklärt dies zum Weltstandard.
Wir werden solche Menschen nie loswerden. Nicht in der Wissenschaft, nicht in der Medizin, und schon gar nicht in der Politik. Und deswegen geht die Welt bergab… Unausweichlich.
Sie haben nur eine Chance: Eigenverantwortung. Selbst nachdenken. Selbst fühlen. Wie gesagt: Stellen Sie sich hin, trippeln Sie auf der Stelle. Dann haben Sie alles verstanden.
Quelle: Focus 34-2016, Seite 90