Stellen Sie sich vor: Sie genießen einen gemütlichen Abend mit einem Glas Rotwein (ausnahmsweise) und plötzlich überkommt Sie ein unerklärliches Herzrasen. Oder Sie beißen herzhaft in ein Stück alten Gouda, nur um kurz darauf von quälenden Darmkrämpfen heimgesucht zu werden. Willkommen in der Welt der Histaminintoleranz – ein Phänomen, das besonders Frauen ab 40 betrifft.

Warum gerade Frauen in dieser Altersgruppe? Es liegt an dem Wechselspiel zwischen Östrogen und Histamin. Dieses erklärt, warum viele Frauen in der Perimenopause, einer Zeit mit stark schwankenden Östrogenspiegeln, plötzlich mit einer „Histaminunverträglichkeit“ konfrontiert werden:

Was passiert im weiblichen Körper in dieser Zeit?


  1. Östrogen gibt den Takt vor und lässt die Mastzellen, die selbst Histamin herstellen und speichern, Histamin freisetzen. Viel Östrogen führt zu viel Histaminausschüttung. Das Histaminfass im Körper füllt sich und irgendwann wird es zuviel – vor allem dann, wenn auch noch zusätzliche Histaminbomben aus der Nahrung das Fass zusätzlich füllen.
  2. Das Enzym Diaminoxidase (DAO), unser körpereigener Histamin-Hausmeister, das Histamin abbaut, wird vom Östrogen in seiner Aktivität gebremst.
  3. Ein Teufelskreis entsteht: Mehr Histamin regt die Östrogenproduktion an, was wiederum zu mehr Histamin führt.

Leider führt der gut gemeinte, aber oft vorschnelle Griff zum DAO-Bluttest häufig in die Irre. Die DAO ist ein kupferhaltiges Enzym, das eine wichtige Rolle beim Abbau von Histamin und anderen biogenen Aminen im Körper spielt. Es wird hauptsächlich in der Darmschleimhaut, aber auch in den Nieren und der Plazenta produziert.

Die DAO, die im Blut bestimmt wird, stammt aus der Niere. In der Schwangerschaft auch aus der Plazenta.

Die DAO aus dem Darm ist zuständig für die Eliminierung von Nahrungshistamin. Dieses Enzym lässt sich nur über eine Stuhlprobe bestimmen, was regelmäßig aber nicht erfolgt.

Die DAO im Blut unterliegt während des Monatszyklus einer Frau starken Schwankungen, ähnlich dem Östrogen. Hohes Östrogen bremst es zudem noch aus.

„Ihr Enzymwert war etwas gering. Sie haben eine Histaminintoleranz. Damit müssen Sie jetzt leben. Fragen Sie mal bei Ihrer Krankenkasse nach einer Ernährungsberatung oder schauen Sie mal im Internet nach Listen, was Sie jetzt noch essen können.“ Lautet die Empfehlung des Arztes dann normalerweise.

Die Folgen für die Betroffenen sind ein Leben mit Verzicht und im Mangel. Verheerend für die eigene Mikronährstoffversorgung und die Diversität des Mikrobioms und nicht zuletzt für die Lebensqualität. Nicht selten reduzieren Patientinnen ihre Nahrungsauswahl auf weniger als 10 Lebensmittel.

Anstatt sich in ein Korsett aus Ernährungsverboten zu zwängen, das die Lebensqualität drastisch einschränkt, lohnt es sich, tiefer zu blicken.

Die Lösung liegt nicht in der Vermeidung, sondern im Verständnis des eigenen Körpers und seiner zyklischen Veränderungen.

Statt "Damit müssen Sie jetzt leben" sollte es heißen: "Lassen Sie uns gemeinsam Ihren Körper entschlüsseln!"

Eine ganzheitliche Betrachtung, die Hormonschwankungen, Ernährung und Lebensstil einbezieht, kann den Weg zu einem beschwerdefreien Leben ebnen.

Die Histaminintoleranz ist kein Schicksal, sondern eine Einladung, den eigenen Körper besser kennenzulernen. Mit dem richtigen Wissen und einer individuellen Strategie können Betroffene nicht nur ihre Symptome lindern, sondern auch ein neues Verständnis für die faszinierenden Zusammenhänge in ihrem Körper entwickeln. Dazu mehr in der nächsten News.


Quellen:

Kirmaz C, Yuksel H, Mete N, Bayrak P, Baytur YB. Is the menstrual cycle affecting the skin prick test reactivity? Asian Pac J Allergy Immunol. 2004 Dec;22(4):197-203. PMID: 15783132.

Fogel WA. Diamine oxidase (DAO) and female sex hormones. Agents Actions. 1986 Apr;18(1-2):44-5. doi: 10.1007/BF01987978. PMID: 3088928.



Über die Autorin:


"Kyra Kauffmann, Jahrgang 1971, Mutter zweier kleiner Söhne, Volkswirtin, seit 20 Jahren niedergelassene Heilpraktikerin, Buchautorin, Dozentin, Journalistin und seit 3 Jahren begeisterte Medizinstudentin.

Zur Medizin kam ich durch meine eigene schwere Erkrankung mit Anfang 30, bei der mir seinerzeit kein Arzt wirklich helfen konnte. („Ihre Werte sind alle super – es ist alles rein psychisch!“). Hilfe bekam ich von Heilpraktikern, die zunächst einmal eine wirklich gründliche Labordiagnostik durchgeführt haben, ganz nach dem Vorbild von Dr. Ulrich Strunz. Es war eine neue Welt, die sich mir eröffnete und die Erkenntnisse, haben mich sofort fasziniert (ohnehin bin ich ein Zahlen-Daten-Fakten-Fan und habe nicht umsonst das Studium der VWL gewählt). Die Begeisterung war so groß, dass ich meinen alten Beruf an den Nagel hängte und Heilpraktikerin wurde. Meine Praxis führe ich seit 20 Jahren mit großer Begeisterung und bin – natürlich - auf Labordiagnostik spezialisiert und kann so oft vielen Symptomen auf den Grund gehen. In 2 Jahren hoffentlich dann auch als Ärztin.