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Autismus mal ganz anders
Im medizinischen Wörterbuch wird Autismus als Krankheit, wird negativ dargestellt. Kontaktstörung. Sprachstörung. Kleinkinder erscheinen starr und emotionslos. Führe zu lebenslanger Behinderung. Gäbe es auch bei Schulkindern, nennt sich dann Asperger Syndrom. Die Kinder ziehen sich in sich selbst zurück.
Sträuben sich mir die Nackenhaare. Meine Welt ist nicht das festgeschriebene Negative, sondern lebt von der Entwicklung. Wir beharren nicht auf leider vorhandenen Krebsgenen, Zuckergenen (habe ich), sondern wir schalten Gene an und ab. Wir verändern. Wir haben alle Möglichkeiten.
Und selbst wenn das wegfällt, wenn wir die Möglichkeiten (noch) nicht kennen, kann man die gleiche Sache immer – glauben Sie mir, immer! – auch anders betrachten. Positiv betrachten. Sie finden dazu bereits genügend News.
So auch bei Autismus. Da gibt es Archäologen, die sich mit der Höhlenmalerei beschäftigen. Und behaupten, dass die bis zu 12 Meter langen Friese in ihrer künstlerischen Perfektion nur von Genies gestaltet werden konnten.
Künstlerische Perfektion? Da wurde nicht nach Vorbild abgezeichnet (Leonardo etc.), sondern im Dunklen aus dem Gedächtnis wieder geschaffen, oft Tiere in dynamischer Bewegung, sogar dreidimensional, weil das Relief der Felswand mit ausgenutzt wurde. Unglaublich.
Wie es zu solch frühem Aufflackern solcher Kunstfertigkeit kam? Die englische Archäologin Penny Spikins hat eine nachdenklich machende Antwort:
„Erst besonders autistische Merkmale hätten zu solchen Meisterleistungen befähigt“
Wir kennen nämlich ähnliche Zeichnungen hoch begabter autistischer Kinder und Jugendlicher. Wer so malt, muss ein extremes Verständnis von Perspektiven haben. Besonders auffällig ist immer wieder die Fokussierung auf bestimmte Details, also eine überdurchschnittliche Bildspeicherfähigkeit des Gehirns.
Diese Deutung von Frau Professor Spikins ist recht neu. Wird selbstverständlich sofort kritisiert. Autismus sei doch „eine schwere psychische Störung, verbunden mit sozialen Defiziten“. Tja.
Fragen wir die Genmedizin. Da sieht die Sache ganz anders aus: Diese negative Charakterisierung trifft nur für einen geringen Anteil aller Autisten zu. Ist dort verbunden mit geistiger Behinderung (selten) während über 90% ohne geistige Behinderung leben und sich auszeichnen durch verbesserte Konzentration, extreme Wahrnehmungsfähigkeit, beeindruckendes Faktengedächtnis.
Solche Autisten konnten damals effizientere Speerspitzen aus Feuerstein herstellen, konnten sich besser im drei-dimensionalen Raum und in den Weiten der Jagdgebiete orientieren. Trugen zur Vergrößerung des Jagderfolges bei.
Autismus also, so Frau Spikins, war die „evolutionäre Antwort auf das extreme Klima während der letzten Eiszeit. Anders wäre die Menschheit gar nicht überlebensfähig gewesen.“
Ich mag diese Sicht auf den Menschen. Diese positive Sicht. Man muss nicht immer im Bösen verharren. Man kann innerlich zurücktreten (gilt auch bei der Beurteilung bestimmter Politiker) und positive Blickwinkel suchen und finden. Sehen Sie: Das ist ein wesentliches Behandlungsprinzip in meiner Praxis.
Deswegen sind unsere Gespräche jedenfalls für mich immer so anstrengend. Weil ich mich lösen möchte von Ihrem Leid und Ihnen in den kurzen Minuten eine vielleicht neue Sicht vermitteln möchte.
Zöliakie ist doch keine Krankheit. Sondern die gesunde, lebensrettende Abwehrreaktion eines klugen Darmes.
Laktoseintoleranz ist doch keine Krankheit. Sondern die gesunde, natürliche Reaktion auf etwas Unnatürliches, wie dem Milchtrinken. Und so weiter.
PS I: Wenn Sie sich die Quintessenz dieses Artikels merken möchten, hilft Ihnen seine Überschrift: „Genie im Licht der Fettfunzel“.
Quelle: Die ZEIT Nr. 23, 30.05.2018.