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Alzheimer ist weiblich
Die Lebenserwartung der Frau lag Ende des 19. Jahrhunderts bei etwa 50 Jahren. Dank vieler Fortschritte in der Hygiene und durch die Entwicklung von Arzneimitteln gegen Infektionskrankheiten liegt die durchschnittliche Lebenserwartung heute immerhin bei 83 Jahren, allerdings tendenziell leicht rückläufig.
Die gewonnenen Jahrzehnte sind leider bei vielen Frauen von Krankheiten überschattet.
Frauen ab 50 plagt vorwiegend die Angst vor Brustkrebs. Das erfahre ich zumindest im Austausch mit Frauen meines Alters. Noch habe ich im Gespräch nicht gehört, dass eine Frau sagt: „Meine größte Angst ist es, mit Anfang 60 Alzheimer zu bekommen.“
Dabei ist Alzheimer – ähnlich wie die Osteoporose – hauptsächlich eine weibliche Erkrankung. Etwa zwei Drittel der 1,2 Millionen Alzheimer-Erkrankten (!) in Deutschland sind Frauen.
Im Jahr 2023 sind in Deutschland ca. 300.000 Frauen neu an Alzheimer erkrankt. Demgegenüber stehen 74.000 Neuerkrankungen an Brustkrebs.
Alzheimer beginnt in der Regel schleichend im 4. Lebensjahrzehnt, zeigt sich allerdings oft erst 20 bis 25 Jahre später. Nämlich im Spätstadium, wenn Nervenzellen schon unwiederbringlich zerstört sind. Wir wissen ziemlich genau, wie Alzheimer entsteht, aber bisher nicht genau warum.
Beim Alzheimer kommt es zu Ablagerungen von Beta-Amyloid-Proteinen, die Plaques bilden. Diese Plaques behindern die Kommunikation zwischen den Gehirnzellen. Zudem verändern sich die Tau-Proteine und bilden knäuelartige Fasern (Fibrillen). Diese stören die Transportwege innerhalb der Nervenzellen. Auch die für Mikronährstoffe. Die Nervenzellen verhungern.
Beide Prozesse führen zum allmählichen Absterben von Nervenzellen, insbesondere in der Hirnrinde, die für Gedächtnis, Sprache und andere kognitive Funktionen zuständig ist.
Bis heute wird sich nicht um eine Früherkennung gekümmert. Es gibt auch kein wirksames Medikament.
Das weibliche Gehirn scheint empfindlicher zu sein. Gesundheitsstörungen, wie Depressionen, Adipositas oder Infektionen, scheinen sich bei Frauen stärker auf den kognitiven Abbau auszuwirken.
Auch genetische Faktoren, wie das APOE4-Gen (das immerhin ca. 20 % der Frauen hierzulande betrifft) können beim weiblichen Geschlecht zu einer deutlich schnelleren Tau-Ablagerung führen.
Vor allem aber ist es der Östrogenmangel, der uns Frauen zu schaffen macht. Nicht nur im Gehirn, sondern auch im Herz-Kreislauf-System, an den Knochen, an der Haut- und den Schleimhäuten.
Östrogene, hauptsächlich das Östradiol, haben eine enorm schützende Wirkung auf das Gehirn. In den Wechseljahren nimmt die Eierstockproduktion und damit der Östradiolspiegel ab. In der Menopause bzw. in der Zeit danach sinkt der Spiegel auf null. Dies beeinträchtigt den Hirnstoffwechsel und damit auch kognitive Prozesse. Studien zeigen, dass ein kürzerer Zeitraum der Fruchtbarkeit (späte Menarche und/oder frühe Menopause) das Risiko für Alzheimer erhöht.
Wer am Ende des 5. und zu Beginn des 6. Lebensjahrzehnts noch einen Zyklus (also über eine eigene Östradiol-Produktion verfügt) hat, sollte sich glücklich schätzen und sich freuen. Ich höre immer wieder Frauen, die sich darüber beklagen. Nichts ist besser für unseren Körper und damit auch für unser Gehirn als die körpereigene Hormonfabrik in den Eierstöcken.
Wer bereits in der Perimenopause mit abnehmender Zyklushäufigkeit oder in der Menopause ist, sollte mit der Gynäkologin/Gynäkologen besprechen, ob nicht eine humanidentische (z. B. nach dem Gynäkologen Dr. Volker Rimkus) Hormontherapie infrage kommt. Ein Östrogenmangel ist leider nicht durch andere Lebensstilfaktoren und auch nicht durch Nahrungsergänzungsmittel auszugleichen. Die Studienlage ist in Bezug auf den grundsätzlichen Nutzen einer Hormonersatztherapie mittlerweile ziemlich eindeutig: Eine Hormonersatztherapie, die auch Östradiol enthält, kann bei längerer Anwendung (über fünf Jahre) das Sterberisiko durch Alzheimer-Demenz um 15 % senken. Wissenschaftler der University of Arizona analysierten die medizinischen Daten von 379.352 Frauen im Alter von über 45 Jahren, von denen eine Hälfte in den Wechseljahren hormonell behandelt wurde. Es wurde untersucht, wie häufig sich bei Frauen mit beziehungsweise ohne Hormonersatztherapie neurodegenerative Erkrankungen entwickelten. Zu diesen zählen neben der Alzheimer-Krankheit auch Morbus Parkinson und Multiple Sklerose.
Das Risiko, an Alzheimer und Co zu erkranken, hängt primär mit der Dauer der Behandlung zusammen. Frauen, die mindestens ein bis drei Jahre hormonell behandelt wurden, erkrankten seltener an Alzheimer und ähnlichen Krankheiten. Frauen, die sechs und mehr Jahre eine Hormonersatztherapie erhielten, hatten sogar das geringste Erkrankungsrisiko. Im Vergleich zu nicht oder weniger als ein Jahr behandelten Frauen sank das Risiko einer fortschreitenden Hirnerkrankung um 77 %.
Daher kann ich immer nur wieder sagen: Liebe Frauen, kümmert Euch weiterhin um die Brustgesundheit, aber vergesst nicht Euer Gehirn. Ab Anfang 40 braucht es besonders viel Zuwendung und Pflege.
Quellen:
Andy C, Nerattini M, Jett S, Carlton C, Zarate C, Boneu C, Fauci F, Ajila T, Battista M, Pahlajani S, Christos P, Fink ME, Williams S, Brinton RD, Mosconi L. Systematic review and meta-analysis of the effects of menopause hormone therapy on cognition. Front Endocrinol (Lausanne). 2024 Mar 4;15:1350318. doi: 10.3389/fendo.2024.1350318. PMID: 38501109; PMCID: PMC10944893.
Kim YJ, Soto M, Branigan GL, Rodgers K, Brinton RD. Association between menopausal hormone therapy and risk of neurodegenerative diseases: Implications for precision hormone therapy. Alzheimers Dement (N Y). 2021 May 13;7(1):e12174. doi: 10.1002/trc2.12174. PMID: 34027024; PMCID: PMC8118114.
Über die Autorin:
"Kyra Kauffmann, Jahrgang 1971, Mutter zweier kleiner Söhne, Volkswirtin, seit 20 Jahren niedergelassene Heilpraktikerin, Buchautorin, Dozentin, Journalistin und seit 3 Jahren begeisterte Medizinstudentin.
Zur Medizin kam ich durch meine eigene schwere Erkrankung mit Anfang 30, bei der mir seinerzeit kein Arzt wirklich helfen konnte. („Ihre Werte sind alle super – es ist alles rein psychisch!“). Hilfe bekam ich von Heilpraktikern, die zunächst einmal eine wirklich gründliche Labordiagnostik durchgeführt haben, ganz nach dem Vorbild von Dr. Ulrich Strunz. Es war eine neue Welt, die sich mir eröffnete und die Erkenntnisse, haben mich sofort fasziniert (ohnehin bin ich ein Zahlen-Daten-Fakten-Fan und habe nicht umsonst das Studium der VWL gewählt). Die Begeisterung war so groß, dass ich meinen alten Beruf an den Nagel hängte und Heilpraktikerin wurde. Meine Praxis führe ich seit 20 Jahren mit großer Begeisterung und bin – natürlich - auf Labordiagnostik spezialisiert und kann so oft vielen Symptomen auf den Grund gehen. In 2 Jahren hoffentlich dann auch als Ärztin.